Mit folgendem Grundsatz:
„In Bezug auf die Gewährleistung für Mängel der verkauften Sache laut Artikel 1490 ZGB, trägt der Käufer, der Klage auf Aufhebung des Vertrages oder auf Preissenkung im Sinne des Artikels 1492 ZGB erhebt, die Beweislast über die Existenz der Mängel.“,
haben die Vereinigten Sektionen des Obersten Gerichtshofs die Frage über die Beweislast im Fall von Mängeln der verkauften Sache geklärt.
Bis zum Jahr 2013 herrschte folgender Ansatz vor: Bei Klagen, welche die Gewährleistung für Mängel der verkauften Sache betreffen, obliegt die Beweislast über die Mängel und deren schädliche Folgen sowie über das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen den beiden dem Käufer, der sich auf die Gewährleistung beruft. Mit Urteil Nr. 20110/13 hat sich diese Auffassung jedoch geändert. Das eben genannte Urteil bezieht sich auf einen Grundsatz des Obersten Gerichtshofs, der im Zuge des Urteils der Vereinigten Sektionen Nr. 13533/01 formuliert wurde. Laut diesem Grundsatz muss der Gläubiger – ob er nun vorgeht, um eine Vertragserfüllung, eine Aufhebung des Vertrags oder einen Schadenersatz zu erwirken – nur die (vertragliche oder gesetzliche) Herkunft seines Rechts und dessen Fälligkeit belegen und kann sich ansonsten auf die Behauptung beschränken, dass die Gegenpartei gegen ihre Verpflichtungen verstoßen hat. Gleichzeitig obliegt nach demselben Grundsatz die Beweislast über das Erlöschen der Ansprüche bzw. über die effektive Vertragserfüllung dem beklagten Schuldner. Mit seinem Urteil Nr. 20110/13 hat der oberste Gerichtshof bestimmt, dass der eben beschriebene Grundsatz auch im Fall einer ungenauen Vertragserfüllung angewandt werden kann.
Demzufolge genügt es, dass der Käufer (Gläubiger) die ungenaue Vertragserfüllung bzw. das Bestehen von Mängeln oder Defekten, die die Sache für den bestimmungsgemäßen Gebrauch ungeeignet machen oder deren Wert auf beachtliche Weise mindern, zur Anklage bringt. Dies, da es dem Verkäufer (Schuldner) obliegt, auch mittels Vermutungen, zu beweisen, dass die Sache, die er übergeben hat, jene Eigenschaften aufweist, die diese normalerweise kennzeichnen bzw. dass die Sache ordnungsgemäß hergestellt oder verwirklicht wurde; sofern dieser Nachweis erbracht wurde, obliegt es dem Käufer, die Mängel und Defekte der Sache, die dem Verkäufer anzulasten sind, nachzuweisen (Cass. Nr. 20110/13).
Diese Auslegung wurde jedoch in einigen späteren Urteilen nicht beachtet, weshalb die Vereinigten Sektionen des obersten Gerichtshofs angerufen wurden, den Konflikt zu klären.
Letzteren zufolge besteht die Lösung des Problems darin, dass der Verkäufer laut Art. 1476 ZGB den Käufer gegen die Eviktion und jeglichen Mangel der Ware absichern muss, dieser aber nicht verpflichtet ist, Sachen zu übergeben, die absolut mangelfrei sind, sondern nur gewährleisten muss, dass die Qualität der Sache dem Durchschnitt entspricht. Die Verbindlichkeit der Gewährleistung für die Mängel der Sache bedeutet für den Verkäufer also nicht so sehr eine Verpflichtung als vielmehr eine Unterwerfung, da dieser der Initiative des Käufers, den Kaufvertrag mittels actio quanti minoris oder actio redibitoria zu ändern oder aufzuheben, ausgesetzt ist (Cass. SS.UU. n. 19702/12).
Die Haftung des Verkäufers sieht von jeglicher Schuldfeststellung ab und beruht lediglich auf dem Nachweis eventueller Mängel. Daher kann die 2013 geäußerte Auslegung, jedenfalls was die Auffassung betrifft, die Übergabe einer mangelhaften Sache bedeute die Nichterfüllung durch den Verkäufer, nicht geteilt werden. Der Nachweis über die Mängel der Sache, von dem die Haftung des Verkäufers abhängt, obliegt demzufolge dem Käufer.