Gesetzesdekret Nr. 18/2020, umgewandelt durch das Gesetz vom 24. April Nr. 27
- Artikel 65
Das Gesetzesdekret Nr. 18/2020 („Cura Italia“), welches durch das Gesetz Nr. 27 vom 24. April 2020, veröffentlicht am 29. April 2020, umgewandelt wurde, sieht unter Artikel 65 für das Jahr 2020 eine Steuergutschrift für Unternehmen in der Höhe von 60% des für März 2020 fälligen Mietzinses für Immobilien der Kategorie C/1 vor. Die Gutschrift kann ab dem 25. März in Form einer Kompensierung mittels F24 Formular genutzt werden.
Diese Bestimmung entlastet aber nur einen Teil der vom Problem betroffenen Situationen und zwar einerseits Mietverträge, die Immobilien der Kategorie C/1 betreffen, und andererseits Unternehmen, deren Tätigkeit als nicht „essentiell“ eingestuft und somit vorübergehend ausgesetzt wurden.
Diverse Personen können im Umkehrschluss nicht auf besagte Steuergutschrift zurückgreifen:
- Privatpersonen, die eine Immobilie zu Wohnzwecken mieten;
- Unternehmer, die zwar die Voraussetzung der nicht essentiellen Tätigkeit erfüllen aber eine Immobilie einer anderen Kategorie für die Ausübung ihrer Tätigkeit mieten (Einkaufszentren fallen beispielsweise häufig unter die Kategorie D/8, Werkstätten von Handwerkern unter die Kategorie C/3, Büros von Freiberuflern unter die Kategorie A/10);
- Unternehmer, die zwar eine nicht-essentielle Tätigkeit in einer Immobilie der Kategorie C/1 ausüben, diese aber nicht auf der Grundlage eines Mietvertrags nutzen, sondern über einen Betriebspachtvertrag.
Die Steuergutschrift scheint jedenfalls auch beantragt werden zu können, wenn der Mieter/Pächter den Mietzins für März mit Verspätung oder nur zum Teil bezahlt, bzw. wenn sich die Vertragsparteien auf eine (vorübergehende) Herabsetzung des Mietzinses einigen. In diesen Fällen muss der effektiv bezahlte Mietzins für den Monat März 2020 als Ausgangsbetrag gelten, wobei angesichts der Tatsache, dass die Norm kein zeitliches Limit setzt, davon auszugehen ist, dass die Gutschrift auch bei verspäteter Bezahlung des Mietzinses genutzt werden kann.
- Artikel 91
Kurz erwähnt werden sollte in diesem Zusammenhang auch Artikel 91 des „Cura Italia“-Dekrets, der sich auf die Folgen einer Nichterfüllung von vertraglichen Verpflichtungen bezieht und laut dem die Einhaltung der Maßnahmen gegen Covid19 die Haftung des Schuldners für die Nichterfüllung ausschließt. Diese Bestimmung begründet aber nicht gleichzeitig ein Recht des Mieters, die Zahlung des Mietzinses ohne weiteres einzustellen, sondern scheint lediglich die Möglichkeit für den Vermieter auszuschließen, angesichts der mangelnden oder verspäteten Zahlung des Mietzinses Schadensersatz gemäß Artikel 1218 und 1223 ZGB zu verlangen.
Die vertraglichen Verpflichtungen des Mieters und die Möglichkeit für den Vermieter vom Vertag zurückzutreten bzw. diesen aufzulösen bleiben dementsprechend erhalten.
ZGB - nachträgliche Unmöglichkeit und übermäßige Belastung
Das italienische Zivilgesetzbuch enthält im Teil, der die Schuldverhältnisse im Allgemeinen regelt, einige Normen, die von einer nachträglichen Unmöglichkeit, der vertraglichen Verpflichtung nachzukommen (Art. 1256, 1258 und 1464 ZGB), bzw. von einer übermäßigen Belastung für eine der Vertragsparteien (Art. 1467 ZGB) ausgehen und dementsprechend eine Haftung der nichterfüllenden Partei ausschließen oder die Möglichkeit einer Vertragsauflösung für dieselbe vorsehen. Dies unter der Voraussetzung, dass besagtes Ungleichgewicht nicht von der benachteiligten Vertragspartei verschuldet wurde bzw. nicht vorhergesehen werden konnte.
Die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen auf die hier behandelte Thematik ist jedoch umstritten, einerseits da die vom Staat verordnete Aussetzung bzw. Einschränkung der wirtschaftlichen Tätigkeit vieler Betriebe nicht die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung des Vermieters, welche bekanntlich in der Bereitstellung der Immobilie besteht, einzuschränken scheint. Einige Autoren versuchen zwar, dieses Hindernis mit einer Auslegung im Sinne der konkreten Ursache des Vertrags („causa concreta del contratto“) zu überwinden, diese Auslegung findet aber im Bereich der Miet- und Pachtverhältnisse bisher keine konkrete Anwendung in der Rechtsprechung.
Andererseits scheinen die staatlichen Einschränkungen auch nicht automatisch die absolute Unmöglichkeit der Vertragserfüllung von Seiten des Mieters zu bewirken, welcher seinerseits die Beweislast in Bezug auf die tatsächliche Unmöglichkeit zu tragen hätte.
Schlussendlich zielen die genannten Lösungsansätze, mit Ausnahme von Artikel 1464 ZGB, welcher die nachträgliche Unmöglichkeit nur eines Teils der vertraglichen Verpflichtung regelt, auf die Auflösung des bestehenden Vertragsverhältnisses ab, während die von den Maßnahmen in Bezug auf die Corona-Krise betroffenen Personen und Unternehmen tendenziell keine Auflösung des Vertrags anstreben, sondern vielmehr eine zeitweise Aussetzung der Verpflichtung, den Mietzins zu bezahlen oder eine zeitweise Herabsetzung desselben.