Schadenersatz für entgangenes Steuerguthaben Mit dem bekannten G.D. 34/2020 wurde eine nie dagewesene Fördermaßnahme im Bausektor eingeführt: der Steuerbonus 110. Dieser machte die energetische Sanierung von Gebäuden durch die Bereitstellung eines Steuerguthabens, welches an Dritte (v.a. Banken) abgetreten oder direkt durch einen Rabatt in der Rechnung der Baufirma geltend gemacht werden konnte, für praktisch jedermann leistbar. Dementsprechend groß war auch der anfängliche Erfolg dieser Maßnahme, bis sie aufgrund des zunehmenden Drucks auf die Staatskasse und Missbrauchs bzw. Betrug gestoppt wurde. Nun kann das Steuerguthaben nur mehr in beschränktem Ausmaß und unter strikten Bedingungen geltend gemacht werden, die Abtretung an Dritte und der Rabatt in der Rechnung sind nicht mehr möglich. Für einen Großteil der anfänglichen Nutznießer der Maßnahme ist diese somit nicht mehr nutzbar. Um in den Genuss des Steuerguthabens im vollen Ausmaß zu gelangen, muss das Bauvorhaben innerhalb strikter Fristen abgeschlossen bzw. ein gewisser Baufortschritt erreicht sein. Andernfalls ergibt sich ein problematisches Szenario. Auf der einen Seite stehen Baufirmen, welche die Liquidität zum Weitermachen brauchen, auf der anderen Seite Bauherren, deren Budget ohne Einbeziehung von Steuerguthaben im ursprünglichen Ausmaß nicht mehr ausreicht. Diese Problematik hat zuletzt bereits mehrere italienische Gerichte beschäftigt und scheint sich auszubreiten. Dabei haben Bauherren die Baufirmen für die Verzögerungen in der Abwicklung der Superbonus-Arbeiten verantwortlich gemacht und Schadenersatz gefordert. Dieser wurde ihnen auch in Form einer sog. „entgangenen Chance“ im Ausmaß des Differenzbetrages des ursprünglich anwendbaren und des später noch möglichen Bonus zuerkannt. In den bisher ergangenen Entscheidungen wird also bereits die konkrete Möglichkeit, ein Steuerguthaben zu erhalten, als schützenwertes Interesse und ersatzpflichtiges Rechtsgut anerkannt.