Der fünfte Teil der
Beitragsreihe zum Europäischen Kartellrecht behandelt einen Verstoß zweier
Unternehmen gegen das Verbot des Vollzugs der geplanten Fusion. Das Verfahren
hat Bedeutung über den Einzelfall hinaus, da in Frage stand, ob die Kommission
unter bestimmten Voraussetzungen auch Fusionen unterhalb der relevanten
Aufgreifschwellen überprüfen darf.
Die Fusion von Illumina und
GRAIL fand während der Stillhalteverpflichtung nach Art. 7 der
Fusionskontrollverordnung statt. Diese soll ermöglichen, dass die EU-Kommission
etwaige Wettbewerbsverstöße überprüfen kann, bevor die beteiligten Unternehmen
Fakten schaffen. Die beiden Unternehmen verstießen jedoch nach den
Feststellungen der Kommission willentlich gegen die Stillhalteverpflichtung und
vollzogen den Zusammenschluss. Dabei habe Illumina die Kosten einer Geldbuße
durch die Kommission gegen die Chancen eines vorzeitigen Vollzugs abgewogen.
Die Kommission erließ
daraufhin einstweilige Maßnahmen. Die Unternehmen mussten getrennt gehalten
werden; Veräußerungspläne waren durch Illumina vorzubereiten. Mittlerweile hat
sich Illumina von GRAIL getrennt und hält nach eigenen Angaben nur noch einen
Minderheitsanteil.
Die Kommission verhängte
gegen Illumina eine Geldbuße, die den Rahmen von zehn Prozent des weltweiten
Konzernumsatzes beinahe ausschöpfte. Dabei betonte die Kommission, dass die
Verletzung des Fusionskontrollsystems schwer wiege, da die Vorschriften bewusst
ignoriert worden seien. Die Geldbuße solle auch abschreckende Wirkung zeigen.
Zum ersten Mal wurde wegen seiner aktiven Rolle beim verbotenen Fusionsvollzug
auch das Übernahmeziel GRAIL mit einer – wegen der erstmaligen Sanktionierung
nur symbolischen – Geldbuße von EUR 1.000 belegt.
Die Besonderheit war jedoch,
dass die Europäische Kommission mangels Erreichens der Aufgreifwerte nicht für
die Fusionskontrolle zuständig gewesen wäre. Die mitgliedstaatliche
Wettbewerbsbehörde hatte jedoch die Fusionskontrolle durch die Europäische
Kommission gemäß Art. 22 der Fusionskontrollverordnung beantragt.
Das Verfahren wurde beim
EuGH anhängig gemacht. Der Generalanwalt beim EuGH Emiliou sieht ein Hindernis für die Zuständigkeit der Kommission.
Art. 22 der Fusionskontrollverordnung ermächtige die Mitgliedstaaten nicht zu
einem Prüfantrag hinsichtlich einer
Fusion ohne gemeinschaftsweite Bedeutung bei der Kommission, wenn sie selbst
nach nationalem Recht nicht zuständig für eine Fusionskontrolle seien.
Ansonsten führe dies zu der Möglichkeit, dass die Kommission nahezu jede Fusion
weltweit auf Antrag eines Mitgliedstaates prüfen könnte. Dies führe zu
erheblichen Problemen insbesondere in Bezug auf die Rechtssicherheit. Hierin
liegt auch die Bedeutung des Verfahrens für weitere große Fusionen.
Jüngst urteilte der EuGH und
schloss sich dem an. Art. 22 FKVO erlaube keine Verweisung an die Kommission,
wenn die Mitgliedstaaten selbst unzuständig sein. Es widerspreche den Zielen
der Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit im europäischen Kartellrecht, wenn
Unternehmen nicht wüssten, ob und von wem eine Fusion geprüft werden müsse und
wann eine Entscheidung anstehe.