Mit Inkrafttreten der
Cartabia-Reform wurden Änderungen bezüglich der Strafverfolgung vorgenommen.
Gemäß der Cartabia-Reform ist die Zurücknahme der Strafanzeige vorgesehen, wenn
die geschädigte Person, welche die Anzeige erstattet hat, ohne gerechtfertigten
Grund nicht zur Verhandlung erscheint, zu der sie als Zeuge geladen wurde.
In einem Fall, welchen unsere
Kanzlei betreut hat, ist die geschädigte Person, die Anzeige gegen unseren
Mandanten wegen Bedrohung gemäß Artikel 612 StGB erstattet hatte, nicht als
Zeuge zur Verhandlung erschienen, zu der sie geladen wurde. Nach erneuter
Ladung zur Verhandlung blieb die geschädigte Person erneut fern, woraufhin das
Gericht die Unzulässigkeit aufgrund der Zurücknahme der Strafanzeige
festgestellt hat. In dem vorliegenden Fall wurde die Tat jedoch vor dem
Inkrafttreten der Cartabia-Reform begangen.
Auch für Taten, die vor dem 30.
Dezember 2022 begangen wurden, dem Datum des Inkrafttretens des Gesetzesdekrets
150/2022, findet diese gesetzliche Änderung Anwendung (vgl. Cass. Pen. Nr.
22641/2023).
Gesetzliche Änderungen zugunsten
des Angeklagten müssen in noch anhängigen Verfahren angewendet werden,
basierend auf dem Grundsatz der Anwendung der günstigeren Norm gemäß Artikel 2
Abs. 4 StGB, unter Berücksichtigung der gemischten Natur des Strafantrags.
Vor der Cartabia-Reform wurde
durch die Rechtsprechung des Kassationsgerichtshofs angenommen, dass das
ungerechtfertigte Fernbleiben der geschädigten Person von der Verhandlung, zu
der sie als Zeuge geladen wurde, als stillschweigende Zurücknahme der Strafanzeige
betrachtet werden konnte.
Das Gesetzesdekret 150/2022 hat
diese Annahme der stillschweigenden Zurücknahme der Strafanzeige kodifiziert,
indem festgelegt wurde, dass das Nichterscheinen des Anzeigenerstatters zur
Verhandlung, zu der er als Zeuge geladen wurde, eben eine stillschweigende
Zurücknahme der Strafanzeige darstellt. Es bedarf daher keiner expliziten
formalen Akzeptanz, sofern keine ausdrückliche oder stillschweigende Ablehnung
seitens des Angeklagten erfolgt.
Somit wird seit der Cartabia-Reform das
Nichterscheinen der geschädigten Person zur Verhandlung, zu der sie geladen
wurde, als stillschweigende Rücknahme des Strafantrags gewertet. Dies gilt auch
für noch anhängige Verfahren, bei denen die Taten vor der Cartabia-Reform
begangen wurden basierend auf dem Grundsatz der günstigeren Norm gemäß Art. 2
Abs. 4 StGB.